Das historische
Datum ist manchen Anglern bis auf die Minute genau bekannt:
Am 10. Juni 2000 um 14.28 Uhr schwamm der erste Lachs
in die Video-Kontrollkammer der neu erbauten Fischtreppe
an der Staustufe Iffezheim im Rhein. Seitdem haben 144
weitere Lachse die Aufstiegshilfe bei Rastatt genutzt,
um zu den Laichgründen in den Nebenflüssen
stromaufwärts wandern zu können. Doch in die
Freude über den Erfolg an der 15 Millionen Mark
teuren Anlage mischt sich ein herber Wermutstropfen.
Irgendwann wandern die in den Nebenflüssen des
Schwarzwaldes und der Vogesen groß gewordenen
Junglachse, so genannte Smolts, stromab in den Atlantik.
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Und weil
sie dabei der stärksten Strömung folgen und
die direkt in die Turbinen der Kraftwerke führt,
werden sie dort zerhackt - "zum teuersten Fischgulasch
der Welt", wie Dr. Rainer Berg von der Fischereiforschungsstelle
in Baden-Württemberg sagt. "Ja, man hat die Turbinenproblematik
bislang noch nicht so intensiv betrachtet und erst jetzt
richtig im Blick", räumt die Biologin und Vize-Geschäftsführerin
der Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins,
Anne Schulte-Wülwer-Leidig, ein. Diese "Problematik"
hat es in sich: Nach einer Studie niederländischer
Wissenschaftler sterben in den Turbinen am Niederrhein
"pro Wasserkraftanlage oft mehr als 10%" der zum Meer
wandernden
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Smolts.
Bei Aalen, die vom Rhein in die Sargasso-See vor den
USA wandern, um dort zu laichen, liegt die Sterblichkeit
in den drei niederländischen Rheinkraftwerken sogar
bei bis zu 25 Prozent je Anlage. "Wasserkraftwerke beeinträchtigen
die Entwicklung einer Fischpopulation beachtlich oder
machen sie sogar unmöglich", warnte der Niederländer
Weil Muyres auf einer Tagung der Schutzkommission Ende
Oktober in Karlsruhe. "Eine kurzfristige Lösung
für das Problem gibt es derzeit nicht", räumt
Schulte-Wülwer-Leidig ein. Langfristige Abhilfe
wäre zumindest auf der baden-württembergischen
Seite des Oberrheins möglich. Das Land fördert
Großwasserkraftanlagen,
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um
den Ausstoß von Treibhausgasen bei herkömmlichen
Kraftwerken entgegenzuwirken. "Das ist sinnvoll, wenn
diese Großanlagen dann zugleich auf fischfreundliche
Turbinen umgerüstet und Kleinstanlagen in den Nebenflüssen
zurückgebaut werden", sagt Berg. Seine Forderung
ist verständlich: Während bis zum Jahr 2020
die insgesamt neun weiteren Sperren im Ober- und Hochrhein
bis Basel mit Fischpässen ausgebaut werden sollen
und der Strom damit zu einer Art Autobahn für Wanderfische
wird, fehlen ihnen allerdings die "Ausfahrten" zu den
Laichgründen in den Rheinnebenflüssen; weil
diese mit Hunderten von Kleinstwasserkraftanlagen verbaut
sind. Für den Rück- oder Umbau
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dieser
auch aus der Sicht des Bundesumweltamtes zumeist ökologisch
fragwürdigen Anlagen fehlt es laut Berg aber am
politischen Willen. Die Nebenwirkungen der angeblich
sauberen Wasserkraft haben inzwischen auch der Betreiber
von E-ON Wasserkraft GmbH und der Turbinenhersteller
Voith Siemens Hydro Power Generation GmbH entdeckt.
Die Unternehmen unterstützen nicht nur die Entwicklung
fischfreundlicher Turbinen, an denen der Wasserbauer
Theodor Strobl an der Technischen Universität München
forscht. Gefördert wird von ihnen auch ein Projekt,
das die Fischsterblichkeit am Wasserkraftwerk Main-Dettelbach
untersucht. Die bisherigen Ergebnisse sind erschreckend:
Für bis zu 28 Prozent aller Aale endet
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der Weg
durch die Turbinen in Dettelbach mit dem Tod. Die Verletzungsraten
bei Fischen über 10 Zentimeter Länge liegen
im Mittel bei 30 Prozent, sagt der an der Untersuchung
beteiligte Fischereibiologe Manfred Holzner von der
TU München. Als Nebenfluss des Rheins gilt
der Main als weiterer potenzieller Lachsfluss. Der Fluss
ist jedoch durch nicht weniger als 29 Wasserkraftanlagen
zur Energiegewinnung unterbrochen. Mehr als 10 Millionen
Mark wurden bereits in den lachsgerechten Ausbau der
in den Main mündenden Kinzig investiert. "Sie können
sich selbst ausrechnen, welcher Prozentsatz an Wanderfischen
noch lebend im Rhein ankommt", sagt Holzner.
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